ZWISCHENWELTEN

Spannungsfeld zwischen Leben und Tod

Das Projekt ist Teil des gemeinsamen Konzepts der Künstlergruppe »Impuls-Art« mit dem Titel »DA-zwischen«.

Meine Arbeiten widme ich hierbei dem Thema »Zwischenwelten«, definiert als ein Spannungsfeld zwischen Leben und Tod.

Handelt es sich in der ursprünglichen Bedeutung um eine außerhalb des Irdischen angesiedelte Sphäre zwischen Himmel und Erde, verorte ich den Begriff hier ganz konkret im Gegenwärtigen: Leben und Tod als zwei eng nebeneinander existierende Zustände.

Die Serie ist geprägt vom eigenen virtuellen Miterleben von Zerstörung und Tod - symbolisiert im Angriffskrieg auf die Ukraine, von den persönlichen Erzählungen geflüchteter Frauen und Kinder, ihren Geschichten von entsetzlichen, traumatisierenden Erlebnissen. Trauer, Vergänglichkeit und Verlust, oft auch Schuldgefühle, stehen konträr zum gleichzeitigen Überlebenswillen.

In meinen Bildern möchte ich die enorme Spannung und wörtliche Sprengkraft dieser »Zwischenwelten« widerspiegeln. 






Alles kommt zur Ruhe

WO LICHT DAS BLICKDICHTE BRICHT

Anknüpfend an die vorangegangene Serie fokussieren sich diese Arbeiten noch tiefer auf den Aspekt der Natur und hierbei auf Effekte während jener Zeit der Pandemie, in der der Verkehr auf Straßen und in der Luft lahmgelegt war. Die dadurch eingetretene Ruhe und Beruhigung führten zu sichtbaren Veränderungen in Flora und Fauna. Es schien, dass sich die uns umgebende fragile und keineswegs selbstverständliche Natur erholte, neue Räume erschloss oder wieder zurückeroberte. 

»Ich halte inne, zoome ganz nahe auf und in die Natur und ihre kleinsten Details, wobei sich ein eigener neuer Kosmos eröffnet, gleich einem Eintauchen in neue Welten, in denen, entlang den Lichtverhältnissen, nach und nach Silhouetten erscheinen und an den Stellen, an denen das Licht das Blickdichte bricht, kleinste Details zum Vorschein kommen. Gleich Protagonisten auf einer imaginären Naturbühne, erhalten sie Bedeutung, Raum und Zeit. Tief Atmen.
Alles kommt zur Ruhe.«

Die Bildserie enthält neben der Ebene der künstlerischen Fotografie eine zusätzliche textliche Ebene, die sich an der Gedichtform der „Haikus“ orientiert. Ein Haiku ist eine traditionelle, sehr kurze, aus wenigen nicht abgeschlossenen Sätzen bestehende japanische Versform und gilt als kürzeste Gedichtform der Welt. Die ungereimten Verse finden im Präsens statt und vervollständigen sich erst im Erleben des Betrachters. Sie beziehen sich auf Naturbeschreibungen, die farblich und bildlich charakterisiert werden, emotional berühren sollen und zu ganz eigenen Imaginationen führen können.



Blaufeuer & Katzengold 

»Das schöne Blau der Luft wird durch die Dunkelheit hervorgerufen, die dahinter ist.«

(Leonardo da Vinci)

Die abstrahierten Closeups des Projekts befassen sich mit dem Mikrokosmos im Naturreich und den spannenden Formen kleinster Natur- und Pflanzenelemente. Die Aufnahmezeit liegt größtenteils in der sogenannten »blauen Stunde«, dem kurzen Zeitabschnitt zwischen Sonnenuntergang, Dämmerung und beginnender Dunkelheit, wenn alles in ein sattblaues dunkel leuchtendes Licht getaucht ist, gleich einem sanften blauen Feuer. »Blaufeuer« ist auch ein Begriff aus früherer Zeit zur Gewinnung von blauen Farbpigmenten: Im »Blaufeuer« wurde das Sediment Eisenstein in kleinen Blauöfen geschmolzen und brachte »Eisenblau« hervor.

Die Portraitarbeiten beziehen sich auf eine weitere Definition von »Blaufeuer«, aus der Seefahrt stammend: Mit »Blaufeuer-Signalen« werden Lotsen für die Richtungssuche auf dem Meer herbeigerufen. Im metaphorischen Sinne steht »Blaufeuer« hier für die innere emotionale Orientierungssuche oder auch Neuausrichtung zu unterschiedlichen Lebenszeitpunkten, wobei auch das Thema Rollenverständnis von Frau und Mann stets mitgedacht ist - ein Thema, das meine Arbeiten lange begleitet. Mit der Einladung an die Portraitierten, sich an ausgewählten Orten in der Natur ihre eigene imaginäre Bühne zu wählen und zu besetzen, schließt sich der Kreis zu den Naturaufnahmen, indem sie selbst Teil dieser werden (wie wir es ja alle sind).

Ein weiterer Aspekt des Projekts meint mit dem Begriff »Katzengold«, einem eisenhaltigen Gold-Surrogat, im übertragenen Sinn: »Es ist nicht alles Gold, was glänzt, aber es glänzt auch nicht alles was Gold ist« (eine Redewendung nach Friedrich Hebbel). Die Portraitaufnahmen intendieren, die oberflächliche Haltung, den vorgegebenen Schein zu durchdringen und den unkontrollierten, eher unbewussten Moment zu finden und widerzuspiegeln.

Die Farben Blau und Gold sind als symbolische Farben in die Arbeiten eingewebt. Allem zugrunde liegt der Wunsch und der Versuch, mit den Bildern auf emotionaler Ebene zu korrespondieren. 



ingeniöses Rot

Projekt impuls-art "ROT ROT ROT"

Schon mit dem ersten Sonnenuntergang war sie da, die Farbe Rot, hinterließ in jahrtausendalten Gesteinshöhlen ihre ockerroten verschlüsselten Botschaften. Eine Schatzkiste voller Mythen, Legenden, Symbolik, uralter Geheimnisse und Geschichten über Macht, Profit, Gier und Missbrauch.

Sie wispert von der Magie der Liebe, dem Verlangen, der Erotik, Leidenschaft und Impulsivität.
Ist sie explosiv, trägt sie ihr grellstes zornrotes Kleid und löst Alarmstufe Rot aus. Einst versteckte sie sich schüchtern in purpurnen Schnecken am Meeresgrund und an Land in den fetten Leibern von Schildläusen. Ihre kostbare Schönheit entfesselte Schlachten, strickte Legenden:

                                    "Einst gab es einen großen Kampf zwischen einem Elefanten und einem Drachen, die sich so lange bekämpften, bis es schließlich dem Drachen gelang, seinen Schwanz um den Elefanten zu wickeln. Als dieser stürzte, zerquetschte er den Drachen mit seinem Gewicht und so fanden beide den Tod. Ihr Blut vermischte sich und wurde zu Zinnoberrot."
(Plinius der Ãltere, ca. 23-79 n Chr.).


Während unserer Kooperation insistierte ROT, dass ich mindestens zwei ihrer vielen Aspekte beleuchte: Die Portraitbilder betonen ihre nicht unbeträchtliche Bedeutung in Symbolen, Sagen und Mythen und weisen darauf hin, dass sie nie weg war, auch heute noch in vielen Lebensbereichen vertreten ist und immer sein wird. So begaben wir uns für den zweiten Aspekt auf Entdeckungsreise in die physische Natur, um winzige Detailbereiche neu wahrzunehmen und den rotmagischen Zauber einzufangen. 



auf links gedreht 

"SOS - Save our souls"

Projekt IMPULS-ART 

EINE ANDERE SICHTWEISE EINNEHMEN - heißt auch, das Innere nach außen zu bringen - aber auch das Äußere, Sichtbare nach innen zu verstecken. Aus der eigenen Sicht bedeutet es auch, sich auf die andere Seite zu bewegen, sich von außen zu betrachten; räumlich, vielleicht auch zeitlich und auch mental.

Angeregt wurde das Thema durch die kuriose Geschichte „Das Museum der Stille“ von Yoko Ogawa. Ein historisches Ritual soll Tod und schwere Krankheiten verhindern, indem die Kleidung „auf Links gedreht“ getragen wird. Die Bewegungsrichtung wird sozusagen umgekehrt und die bösen Geister werden nicht nach innen sondern nach außen geleitet:
"Das Mädchen, die Hauptperson des Abends, sah seltsam aus, da sie das Innere ihres weißen Kleides nach außen gewendet trug." …
„Wer von einer schweren Krankheit genesen ist, muss seine Kleidung bis zum nächsten Vollmond verkehrt herum tragen.“ …
„Wer sich nicht an diese Regel hält, den entführen die Dämonen in die andere Welt. Trägt jemand aber sein Kleidung verkehrt herum, meinen sie, er wäre schon in der anderen Welt und nicht in dieser. Auf diese Weise kann man sie täuschen.“
(aus Yoko Ogawa, Das Museum der Stille, Aufbau-Taschenbuchverlag Berlin, 2014, S. 145f)

Es ist ein Ritual, das sich auch in der europäischen Tradition wiederfindet. Im Mittelalter wurde jungen Mädchen geraten, zumindest die Unterwäsche mit den Nähten nach außen zu tragen, um die Hexerei abzuwehren.
Nun geht es in unseren Tagen nicht um Hexerei oder böse Geister. Doch der Tausch der gewohnten Betrachtungsrichtung, der Sicht von innen nach außen, durch einen unverschleierten Blick in umgekehrter Richtung von außen nach innen kann in vieler Hinsicht hilfreich sein. 



100 Taschen
-Tasche No. 74- 

Projekt VITALES ARCHIV Berlin, nominiert für den Hector-Kunstpreis

"BAG WITCH PROJECT"

Eine mysteriöse Geschichte über die Begegnung eines imaginären rot schimmernden Tornisters im Dämmerlicht jahreszeitlich wechselnder Landschaften.

Im Vitalen Archiv werden seit den Anfängen der 90er Jahre Restbestände aus der industriellen Produktion der DDR gesammelt, archiviert, systematisiert und dokumentiert durch die Künstlerin und Kuratorin Sandra Kuhne. Sie hinterfragt mit ihrem Vitalen Archiv aus Restbeständen aufgelöster DDR-Fabriken den Wertewandel einer Nation. 100 Taschen ist eine Aktion des Archivs, bei der 100 rote Smalcalda-(Werkzeug)Taschen aus dem Bestand einer DDR-Fabrik von Künstlern in neue Gebrauchskreisläufe überführt werden und von diesen neu interpretiert, verwandelt, zerstört, befüllt oder demontiert und neu zusammengesetzt werden. Die Smalcalda-Tasche rotiert zwischen den mehr als hundert teilnehmenen Künstlern und Kooperanten u.a. zwischen Berlin, Düsseldorf und London, dem Ausgangsort der Taschenbewegung.



Lichtwiesen

LEUCHTSPUREN

1. Darmstädter Tage der Fotografie

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